Im Kampf gegen das Virus: Indien und Corona
Im Kampf gegen das Virus: Indien und Corona
Lock down in Indien
Die Züge stehen still, die U-Bahnen sind in den Depots und die berühmten Auto-Rikshaws sind verboten. Der internationale Flugverkehr bis Ende März ausgesetzt, Inlandsflüge kurz vor dem Stopp. Der Aktienkurs auf Talfahrt. Großveranstaltungen abgesagt und die beliebten Frühlingsmärkte in den Dörfern verboten. Mehr als vier Menschen dürfen sich nicht zu einer Gruppe versammeln. Und das in einem Land mit 1,38 Mrd. Menschen!
Indien fährt runter. Wegen Corona. Noch ist die offizielle Zahl der Infizierten unter 500 (23.3.2020). Niemand weiß jedoch, wie hoch die Dunkelziffer ist.
Vorbereitungen auf Hochtouren
Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken sind heiß begehrt in Zeiten von Corona. Wer kann, stellt seine Produktion um und stellt her, was jetzt dringend gebraucht wird. Mukesh Ambani, CEO von Reliance Industries, ließ zum Beispiel auf die Produktion von Schutzmasken umstellen und die Kapazitäten auf 100.000 Stück am Tag hochfahren. Umgerechnet 1,3 Mrd. US-Dollar flossen kurzerhand in einen Fonds, um bestimmte Rohstoffe für Medikamente im eigenen Land herzustellen, statt sie aus China zu importieren.
Die schnelle Anpassungsfähigkeit – eine der kulturellen Stärken Indiens – ist auch in der Corona-Pandemie von Vorteil. Unternehmen stellen kostenfrei Breitbandkapazitäten zur Verfügung, um es vielen Millionen Menschen zu ermöglichen, besser von zu Hause aus zu arbeiten. Wer Home Office machen kann, gehört zu den Privilegierten. Weiterarbeiten, die Wirtschaft am Laufen halten und weiter Geld verdienen.
Solidarität the Indian way
Corona triff die am härtesten, die arm sind. Die in den Slums von der Hand in den Mund leben. Die kein sauberes Wasser haben, um sich zu waschen. Und die auf engstem Raum zusammenleben. Dicht aneinander gedrängt ihre Matten zum Schlafen ausrollen, egal ob da jemand daneben hustet. Für sie sind Seife und Desinfektionsmittel ein wahrer Luxus. An Hamsterkäufe und Bevorratung brauchen sie erst gar nicht denken. Dafür fehlt ihnen das Geld.
Bisher hat die indische Regierung kein Hilfspaket geschnürt, das der gebeutelten Wirtschaft unter die Arme greift. Auch nicht für die besonders betroffenen Branchen. Der Tourismus zum Beispiel – eine der wichtigen Einkommensquellen Indiens – ist komplett zusammengebrochen. Hotels und Restaurants stehen vor dem Nichts.
Vieles haben die Unternehmen zu schultern. Sie sollen, so hat Premierminister Modi mit ihnen besprochen, großzügig sein und Löhne wie Gehälter zahlen, auch wenn nicht gearbeitet werden kann. Wer reich ist, soll geben. Das gilt auch für all die, die Hausangestellte beschäftigen. Unterstützung ist das Gebot der Stunde. Zusammenhalt mehr denn je. Sharing is caring! Indiens Reiche sind besonders in der Pflicht, ein Zeichen der Humanität zu setzen. Nothilfefonds sind eingerichtet und es wird bereits gespendet.
Lichtblicke: Mehr als nur ein Tropfen auf den heißen Stein
Tatsächlich geben die Unternehmen ihr Bestes und leben soziale Verantwortung. Binnen zwei Wochen hat zum Beispiel das Krankenhaus der Sir H.N. Reliance Foundation in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Brihanmumbai (BMC) eine Klinikeinheit mit 100 zusätzlichen Betten nur für Corona-Erkrankte geschaffen. Das IIT Delhi hat einen Covid-19 Test erfunden, der kostengünstig ist und einfaches sowie schnelles Testen erlaubt. Dieser durchläuft gerade die Validierung in Pune. Es gibt sie, die ersten Lichtblicke.
Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen bereiten sich auf den Notfall vor. #Stay at Home wird zum Gebot der Stunde. Bewusstseinsbildende Maßnahmen sind omnipräsent. Im TV, den Zeitungen. Manchem schwirrt schon der Kopf. Vor jedem Telefonat gibt es eine automatische Ansage über die wichtigsten Hygieneregeln. Mit aller Kraft gilt es, dieses Virus zu bekämpfen.
Beten hilft auch in Zeiten von Corona
Der Kampf gegen Corona muss gewonnen werden! Dafür wird alles mobilisiert.
Am Sonntag, den 22.3.2020 twitterten die VIPs aus Bollywood wie wichtig der Einsatz gegen Corona sei. Die Filmstars als prominente Influencer mit großer Reichweite mobilisierten ihre Fans. Es wurde überall zu Meditation und Gebet aufgerufen. Yoga und Pranayama – die klassischen Atemübungen – stärken bekanntermaßen das Immunsystem und helfen dabei, Stress abzubauen. Wichtige Faktoren für eine robuste Konstitution. So mancher mag auch zum elefantenköpfigen Gott Ganesha gefleht haben, mit all seiner Kraft und seinen gewaltigen Stoßzähnen die Hindernisse aus dem Weg zu räumen.
Millionen Menschen gingen auf ihre Balkone, um mit Topfdeckeln, Essgeschirr und Glöckchen ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Nicht zuletzt mit der Hoffnung, dass die Götter die Alarmsignale hören und die Not wahrnehmen würden. Im Hinduismus wie in der indischen Volksfrömmigkeit gibt es die Vorstellung, dass man einen Wunsch nur intensiv genug mit ganzem Herzen äußern muss. Dann werden im Universum alle Kräfte mobilisiert, um diesen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen.
Die Botschaft auf den Balkonen war klar: Mögen wir den Kampf gegen das Corona-Virus gewinnen! Dafür darf man gerne laut klingeln, Töpfe schlagen, das Muschelhorn blasen und natürlich auch kräftig hupen.