Familienunternehmen in Indien und ihr Mindset
Familienunternehmen in Indien und ihr Mindset
Polterabend bei den Ambanis. Und das Who is Who der globalen Wirtschaftselite reist an. Party und Business heißt die Devise. Feiern und Geschäfte machen, wenn man schon mal da ist. So eine Hochzeit ist ja auch ein Signal, dass die nächste Generation in einem der mächtigsten indischen Familienunternehmen bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.
Kennzeichnend für die indische Mentalität ist nach wie vor die ausgeprägte Familienorientierung. Familie gibt Sicherheit, schafft Zusammenhalt, Verlässlichkeit und ist der Ort des Vertrauens. Sie steht im Werteprofil Indiens an erster Stelle.
Joint family – die indische Großfamilie
Familie nach indischer Interpretation ist nach wie vor meistens die Großfamilie. Zur unmittelbaren Kernfamilie zählen Onkeln, Tanten, Cousinen und Cousins, wobei diese vielerorts wie Brüder und Schwestern sind. Über diesen engsten Kreis hinaus gibt es ein ganzes Netzwerk an Verwandten, für die uns in unserem Verständnis schon die Bezeichnungen fehlen.
Bei Hochzeiten zum Beispiel kommen nicht selten mehrere 100 Familienmitglieder zusammen. Solche Anlässe dienen dazu, die familiären Bande zu pflegen. Relationship Management ist angesagt. Man weiß umeinander und hält zusammen. Allein bei besagtem Polterabend von Anant Ambani und Radhika Merchant waren über 1000 Gäste, die meisten davon A-Promis! So festigt ein indisches Familienunternehmen das Netzwerk.
Das „Wir“ kommt vor dem „Ich“. Auch in Familienunternehmen
Selten, dass es jemand wagt, aus diesem sozialen Gefüge auszubrechen. Denn mit der Familie zu brechen heißt, alleine dazustehen. Dies ist in Indien nicht nur schwierig, weil das primäre Netzwerk dann fehlt, sondern auch gesellschaftlich verpönt. Selbst wenn es Krach gibt, heißt es am Schluss: „At least they are family!“
Es gibt festgelegte Rollen, die genau vorgeben, wer welche Rechte und welche Pflichten hat. Den ältesten Familienmitgliedern gilt der uneingeschränkte Respekt, ihnen hat man sich unterzuordnen, ihre Lebenserfahrung ist Richtschnur. So lernen die Familienmitglieder von Kindesbeinen an, geduldig zu warten bis sie an die Reihe kommen.
Auf die Familie kann man sich verlassen. Wenn z.B. jemand krank wird, dann borgt man in der Verwandtschaft das Geld für die Behandlung. Selbstverständlich wird man Essen ins Krankenhaus schicken und dort nicht nur einen Besuch abstatten, sondern auch am Boden schlafen, wenn der Patient Gesellschaft braucht. Familie ist Zugehörigkeit, Ort des Gebens und Nehmens, soziale Absicherung, miteinander groß werden. Dieses Denken wird in Familienunternehmen par excellence kultiviert.
„Be like a family“ – Seniorität und Status
Zusammenhalt, Verlässlichkeit, Sicherheit sind dann auch die Muster, die für die Architektur eines Familienunternehmens wichtig sind. Dass es eine fein abgestimmte Hierarchie mit jeweils festgelegten Rollen gibt, ist in Indien selbstverständlich. Ältere Kollegen gelten als erfahren und weise. Ihnen kommt allein schon wegen ihres Alters ein höherer Status zu. Sie besetzen die Führungspositionen, während die jüngeren Kollegen erst einmal Kompetenz und Wissen ansammeln und dann ihr Können unter Beweis stellen müssen.
Der Boss gleicht dem Pater familias. Erfahren und entschieden. Er sagt, wo es lang geht.
Seiner Wegweisung hat man zu folgen. Er fördert und fordert. Er gibt Orientierung und leitet insbesondere die nächste Generation an, Verantwortung zu übernehmen.
Nach wie vor hält sich dieses klassische Bild. Doch es gibt den wind of change: female leadership ist hoch im Kurs. Frauen können Führung. „Mater familias“ als Ideal einer Chefin ist im Trend. Ihr Empowerment ist gefragt. Frauen haben bereits Spitzenpositionen in einigen Unternehmen inne, die Erbinnen großer Wirtschaftsimperien machen sich bereit für die Pole Position und natürlich – trotz aller Hierarchie, Seniorität und Status – gibt es immer mehr an agilem Mindset mit flacheren Hierarchien und mehr Mitverantwortung.
Was sich inmitten dieser Transformation, in der indische Familienunternehmen ganz weit vorne mitspielen, nach wie vor hält, ist der Wunsch nach einer familiären Atmosphäre am Arbeitsplatz. Wie in einer Familie gibt es mal Streit und es mag manches nicht so rosig sein. Gleichwohl – man ist Familie, gehört zusammen und schafft gemeinsam Erfolge.
„Be like a family“ ist aus indischer Sicht einfach ideal. Auch am Arbeitsplatz.