E-Commerce in Indien: Amazon versus Flipkart
E-Commerce in Indien: Amazon versus Flipkart
Bequem vom Sofa aus bestellen statt Schlepperei, Getümmel und von einem Laden zum anderen hetzen. So kaufen viele heute ein. Auch in Indien. Hier ist Flipkart derzeit der größte Onlinehändler. Binni und Sachin Bansal, beide Anfang 30, nicht verwandt oder verschwägert, Absolventen des renommierten IIT-Delhi, Ex-Amazon-Mitarbeiter, haben Flipkart 2007 als start-up gegründet und dafür mehrere Millionen venture capital akquiriert. E-Commerce in Indien bahnt sich den Weg.
Online shopping in Indien
Inzwischen gehört die Homepage zu den TOP 10 in Indien. 10 Millionen Nutzer haben sich registriert, die Hälfte davon hat in den letzten 12 Monaten tatsächlich auch online gekauft. 100.000 Sendungen werden täglich vom Firmensitz Bangalore aus verschickt. 4500 Mitarbeiter sind beschäftigt. 2015 soll das Ziel von 1 Milliarde US-Dollar Einnahmen geknackt werden. Eine steile Erfolgskurve zweifellos. Doch jetzt … Die Konkurrenz ist da.
Seit Juni 2013 gibt es Amazon. Der online-Händler will den E-Commerce in Indien aufmischen. Der Gigant sitzt direkt vor der Nase. Ebenfalls in der IT-Metropole Bangalore. Nur 13 km von Flipkart weg. Verantwortet wird das Indiengeschäft von Amit Agarwal, der 2007-2009 zum engsten Mitarbeiterstab Jeff Bezos gehörte und von diesem eine einzige Anweisung erhalten hat: „Invest big!“ Warum? Ganz einfach: In zwanzig Jahren soll der indische Markt größer sein als der US-amerikanische.
Amazon startete mit Büchern, erweiterte einen Monat nach Markteintritt das Sortiment um Handys, Kameras und Tablets. Zwei Monate später kamen PCs, Notebooks und der ganze Zubehör zu elektronischen Geräten dazu. Kurz danach die Kategorien Spielsachen, alles rund ums Kind, Körperpflege, Gesundheit und lifestyle-Produkte, Kleidung, Uhren und Schmuck. Das Geschäft boomt. Eine schnelle und zuverlässige Auslieferung garantiert.
Wer sind die Online-Händler?
Wie Flipkart kämpft Amazon um Händler, die davon profitieren, ihre Waren im ganzen Land anzubieten. Amazon hat sich ein besonderes Modell einfallen lassen, um attraktiv zu sein. Jedem Verkäufer wird ein Zwei-Jahresvertrag angeboten, wobei im ersten Geschäftsjahr für den Verkäufer keinerlei Kosten anfallen. Im zweiten Jahr wird eine monatliche Gebühr von 499 Rupien dafür fällig, dass Amazon die Waren bewirbt, lagert und verschickt. Für jeden Deal fällt zusätzlich eine Abwicklungssumme von 10 Rupien fix an. Je nach Warenkategorie streicht Amazon 4-8% vom Verkaufspreis ein.
Ein gutes Geschäft sagen die Verkäufer, die vor allem von den Schulungen, der Logistik und dem exzellenten Marketing und landesweiten Vertrieb profitieren. „Ich war völlig platt als wir vergangenen Monat aus einer winzigen Kleinstadt in West-Bengalen, die wir erst auf der Landkarte suchen mussten, eine Bestellung für 3000 Rupien bekamen“, sagt Shreya, die Silberschmuck verkauft. „Wir bieten auf Amazon und Flipkart an. Es lohnt sich. Im Moment kommen 15% der Einnahmen über Amazon und 12% über Flipkart, der Rest verteilt sich über andere Online-Plattformen“, so Ihre Bilanz.
Mobiles shopping
mit 198 Millionen Internetanschlüssen, davon 70 Millionen Smartphone-Nutzern
Indiens kaufkräftige Ober- und Mittelschicht sind die Nutzer des Internethandels. Sie können bequem von zuhause aus bestellen. Die meisten kaufen über ihre Internetflatrate am Handy. Ein riesiges Sortiment ist rund um die Uhr verfügbar. Zugestellt wird in ganz Indien. So kommen die chicen Produkte der Designerlabels aus den Metropolen auch in kleinere Städte.
Vor kurzem hat Amazon eine Premiumvariante eingeführt: Versand binnen 24 Stunden garantiert für einen Aufpreis von 99 Rupien. Nur eine Woche später zog Flipkart nach: dasselbe Angebot für nur 90 Rupien. Die Nachfrage ist riesig. Der Mehrpreis von ca. 1,20 tut kaum einem weh.
The big deal – cash on delivery: ein neues Geschäftsmodell
Attraktiv ist in Indien aber nicht nur die zuverlässige und schnelle Lieferung, sondern das Zahlungsmodell: Cash on delivery. Gezahlt wird, wenn die Bestellung gefällt. Keine Vorkasse, keine Kreditkarte, sondern bar auf die Hand.
Warum? In Indien gibt es vergleichsweise wenig Kreditkarten, weil die Kundschaft der Sicherheit des bargeldlosen Zahlens noch wenig Vertrauen entgegenbringt. Außerdem ist in Indien viel Schwarzgeld im Umlauf. Wie könnte es besser ausgegeben werden als beim Shoppen? Amazon hatte dieses Modell vorher schon in mehreren emerging markets mit sehr großem Erfolg ausprobiert. Marktanpassung auf die Kundenbedürfnisse.
Die Kröte schlucken
Das größte Risiko beim online-Handel für den Verkäufer ist die Retoure bei Nicht-Gefallen. 40% bei Kleidung und Schuhen werden zurückgeschickt. „Das ist das Übel, das man in Kauf nehmen muss“, sagen die Händler. „Wir müssen kundenfreundlich damit umgehen. Dann kommt der Kunde beim nächsten Mal wieder. Die Enttäuschung, dass er nicht gekauft hat, dürfen wir nicht zeigen“, sagt Arvind, der seit fünf Jahren Handyzubehör übers Netz verkauft.
Den Kunden umwerben mit aller Finesse
Stickiness ist das A und O. Kundentreue die Schmiere, die den Handel am Laufen hält. Dazu muss man wissen, was der Kunde genau haben will. Man muss in die Köpfe schauen können und die Sehnsüchte kennen.
Was könnte noch gefallen? Was wünscht sich der Kunde? Nicht nur, was könnte er sonst noch brauchen. Kurz und knapp: Online-Plattformen müssen wissen, was der Kunde will, noch ehe dieser überhaupt weiß, dass es ihm auch gefallen könnte.
Um in den Kopf und das Herz des Kunden zu kommen, verfolgen Amazon wie Flipkart im wesentlichen zwei Strategien:
- Sie holen sich die besten IT-Leute, die aus allerlei gesammelten Daten das Kaufverhalten errechnen und die dazu passenden Produkte vorschlagen. „Das könnte Ihnen, Her/Frau xy, auch noch gefallen!“ Längst ist der Wettbewerb um die Talente entbrannt. Flipkartgründer Sacchin Bansal erklärt: „Wir kaufen die besten ein. Nicht nur in Indien. Auch aus anderen Ländern!“ Neben dem Kampf um die Zauberformel, die die Käufer-DNA entschlüsselt, ist noch etwas anderes nötig.
- Love bombing dem Kunden gegenüber wirkt Wunder, so wissen gute Verkäufer. Die persönliche Ansprache – denn nichts hört oder liest man lieber als den eigenen Namen – ist die Ouvertüre zur Kundenbindung. Prämienpunkte, Treurabatte und das Angebot von exklusiven Produkten, die es sonst nicht gibt, sind das kleine Einmaleins.
Amazon und Flipkart lassen sich allerhand einfallen, um die Gunst des Kunden zu bekommen und zu erhalten. Der Kunde soll Fan werden, der auch gleich noch seinen Freunden erzählt, wie toll man da bedient wird.
Offen ist, wer in Indien No. 1 wird. Flipkart oder Amazon. Ihre Dr. Simone Rappel.