Fair is beautiful: Schönheitsvorstellungen in Indien
Fair is beautiful: Schönheitsvorstellungen in Indien
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste hier im Land? Was sind die Schönheitsvorstellungen in Indien. Hier geht es um das Geschäft mit der hellen Haut.
Nach indischem Empfinden ist schön, wer eine helle Haut hat. Hellhäutig ist absolut trendy. In fast jeder Hochzeitsannonce steht, dass die Braut „fair“ sein soll. Wer das von Natur aus nicht ist, hilft nach. Bleichcremes für die Massen oder eine Schönheits-OP mit den vielversprechenden Namen „The Vampire Facial“ oder „Diamond Dermabrasion“ für Leute mit einem dickeren Geldbeutel.
Hellhäutig
Der Markt für schöne helle Haut liegt in Indien bei 1,2 Milliarden US-Dollar (2013), die Hälfte davon wird mit Bleichcremes eingenommen. Tendenz: Stark steigend. Für 2016 heißt die Prognose bei Bleichcremes: Die 1 Milliarde US-Dollar-Marke wird geknackt. Frauen wie Männer benutzen Bleichmittel, um ihren Teint aufzuhellen. Denn nur hell ist schön. Ohne wenn und aber.
Und der letzte Schrei: Bleichcremes für den Intimbereich. Sie sollen die sexuelle Attraktivität der Partner steigern und eingeschlafenen Beziehungen zu mehr Glück verhelfen. Kaum zu glauben, meinen die Teilnehmer im Training. Ich gebe als Beweis die entsprechende Packung durch die Reihen.
Fairness Jokes
Bollywood-Schönheiten sind die klassischen Werbe-Ikonen für helle Haut. Schauspielerin Yami Gautam zum Beispiel, dem indischen TV-Publikum aus Telenovelas bekannt, wirbt für „Fair and lovely“, den Marktführer bei Bleichcremes. Hergestellt von Hindustan Unilever. Auf Twitter gibt es eine ganze Reihe von Posts, die Kultstatus erreicht haben.
Ein paar zur Auswahl: „Yami Gautam fährt in der Nacht ohne Scheinwerfer. Denn ihre strahlend helle Haut genügt.“ „Edison hat die Glühbirne erfunden. Wir brauchen die nicht. Denn wir haben Yami Gautam.“ Und wem das noch nicht reicht, der erfährt: „Jeder Mensch hat zwei Sorten von Zellen. Die roten Blutzellen und die weißen Yami Gautam-Zellen.“
Jederfrau und Jedermann
Helle Haut ist angesagt. Nicht nur bei den Stars und Sternchen. Sondern bei Jederfrau und Jedermann. Entsprechend groß war der Aufschrei, als die indisch-stämmige Nina Davulun 2013 zur „Miss Amerika“ gewählt wurde. Das kann doch nicht sein. Wie hässlich! „Bei uns hätte die keine Chance. Viel zu dunkel“, rief Indien empört.
Hartnäckig hält sich in Indien die Überzeugung, dass dunkelhäutige Menschen unfähig für romantische Gefühle sind. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass Schauspielerinnen hell geschminkt werden, wenn sie eine Frau aus besseren Kreisen darstellen.
Nandita Das sagte in einem Interview ganz offen, dass ihr eher dunkler Teint naturell bleiben kann, wenn sie eine Frau aus einem Slum zu spielen hat. Aufgehellt wird sie hingegen um ein Vielfaches, wenn sie eine Frau aus der Oberschicht darstellen soll.
Inzwischen grassiert eine richtige Obsession in Indien: Alle wollen so hell wie möglich sein: Braut und Bräutigam nützen alle möglichen Enhancement-Strategien, um sich aufzuhübschen. Job-Bewerber helfen mit Bleichcremes nach, um einen besseren Eindruck zu hinterlassen. An Colleges und Universitäten ist der Einsatz von Bleichmitteln ein muss.
Der Blick in die dunklen Tiefen der Seele
Für Psychologen versteckt sich hinter diesem gesellschaftlichen Zwang die tiefsitzende Überzeugung, dass heller mit besser und höherwertig gleichgesetzt wird.
Indien war über viele Jahrhunderte von hellhäutigen Herrschern besetzt, erst die Mogulkaiser, dann die Engländer. Diese Erfahrung prägt: Die herrschende Elite ist hellhäutig. Daran orientiert man sich, da will man hin. Die haben das, was man selbst nicht hat: helle Haut. Heute sind es die Bollywood-Schönheiten, die hellhäutig sind und verehrt werden. Aishwariya Rai, Katarina Kaif, John Abraham, Shahid Kapoor und natürlich Shah Rukh Khan – alle sind „fair“.
Doch jetzt regt sich Protest. „Dark is beautiful“ heißt die Gegenbewegung, deren Aushängeschild Schauspielerin Nandita Das ist. „Ist es nicht diskriminierend, was wir hier betreiben? Wir empfinden unser natürliches Aussehen als hässlich und wollen partout um jeden Preis hell sein. Das ist krank im Kopf. Es ist doch egal, welche Hautfarbe jemand hat. Was macht das für einen Unterschied?“
Ärzte haben sich dieser Kampagne angeschlossen und betonen, dass eine gesunde Haut schön ist und nicht eine künstlich aufgehellte. Ob sie sich durchsetzen?
Weiß wie Vampire
Derzeit machen jedenfalls ihre Kollegen den großen Reibach, die den Teint ihrer Kunden aufhellen. „The Vampire Facial“, von allen gängigen OP-Techniken angeblich die, die am wenigsten Schmerzen verursacht, kostet etwa 3.000 -15.000 Rupien pro Sitzung. Etwa sechs Anwendungen sind nötig. Das sind mindestens 250 Euro. Wer Pech hat, das heißt von Natur aus dunkler ist, muss 1.000 Euro Minimum investieren, um den gängigen Schönheitsvorstellungen in Indien zu entsprechen.
Spätestens jetzt wissen Businessfrauen aus dem Westen, warum ihnen immer wieder das Kompliment gemacht wird, wie toll sie aussehen. Strahlend hell, einfach schön! Wer sich in die Sonne legt und braun werden möchte, ist nach indischem Maßstab, schlicht und ergreifend verrückt.
Herzliche Grüße sendet Ihnen Dr. Simone Rappel.