Bankgeschäfte im ländlichen Indien
Bankgeschäfte im ländlichen Indien
Die hypen Metropolen und die urbane Geschäftigkeit sind nur eine Facette Indiens. Und wie immer in diesem Land, es geht auch ganz anders. Das Leben hat eine andere Taktung in den etwa 600.000 Dörfern. Hier lebt die Mehrheit der 1,2 Milliarden Inder. Abhängig vom Monsun, der über die Ernte und damit ihr Einkommen entscheidet. Von „Landlust“ ist dabei wenig zu spüren. Die jungen Leute wollen in die Stadt und dort ihr Glück versuchen. Idylle Fehlanzeige. Allein Dinge des täglichen Lebens sind schwierig: so zum Beispiel Bankgeschäfte.
Die Infrastruktur auf dem Land ist eher schlecht: Basics wie sauberes Wasser und Elektrizität gibt es nicht immer, die Schulen sind vollgestopft mit 50-60 Kinder in einer Klasse, die Unterrichtsqualität gering, Ärzte, Krankenschwestern und gar Krankenhäuser mit unter weit weg, die Verkehrsanbindung an die nächste Kleinstadt dürftig. Gleichwohl hat die Technik Einzug gehalten. Es gibt Mobilfunknetze, das Internet ist da. Das erleichtert vieles. Etwa die Bankgeschäfte.
Bluetooth macht es möglich
Auch wer kein Englisch kann, weiß was Bluetooth bedeutet. Das Leben wird einfacher damit. Vor allem die Bankgeschäfte.
Für Usha zum Beispiel, eine Kleinbäuerin so um die 60. Sie nutzt den Service der Bank regelmäßig und freut sich, wenn Mahesh, der „Bank correspondent“ jedoch Woche – bepackt mit Handy und biometrischem Scanner – vorbeikommt, um ihr von zu Hause aus ihre Bankgeschäfte zu ermöglichen. Mal zahlt sie ein paar hundert Rupien ein, mal hebt sie etwas ab. Je nach Bedarf. Alles sicher, übersichtlich und völlig transparent.
„Ich finde das sehr bequem. Früher musste ich ins nächste Dorf, wenn ich zur Bank wollte. Das bedeutete, dass ich die fast 10 km einfach entweder zu Fuß gehen oder mir eine Mitfahrgelegenheit organisieren musste. Dann hieß es Anstehen am Schalter.
All das kostet Zeit. Ein halber Tag ging da vorbei wie nichts. Die Arbeit zu Hause und auf dem Feld blieb liegen. Ans Geld zu kommen ging ins Geld. Bankgeschäfte waren schwierig. Die Schlange vor der Bank jedes Mal lang. Ich bin froh, dass das jetzt vorbei ist“, sagt sie erleichtert.
„Auch Kleinvieh macht Mist“ – ein guter Zusatzverdienst
Aber auch für Mahesh, einen der bislang etwas mehr als 200.000 geschulten „Bank correspondents“ ist das Bankgeschäft von Tür zu Tür ein Vorteil. Er verdient pro Transaktion eine halbe Rupie. Das klingt nicht viel. Aber es kommt doch etwas zusammen. Mahesh arbeitet als Schreiner und macht den Bankjob am Feierabend oder am Sonntag, wenn die Werkstatt zu ist. „Da sind alle meine Kunden zu Hause. Sie freuen sich, wenn ich komme.“
Sein großes Vorbild ist Yadev, der schon länger im Geschäft ist und inzwischen über 7000 Kunden hat. Wenn jeder nur einmal im Monat eine Transaktion tätigt, sind das sichere 3500 Rupien. Gutes Geld, verdient in einem respektablen Job, der einen mit Menschen zusammenbringt.
Auch für Gita ist das Bankgeschäft zu einem stattlichen Zubrot geworden. Sie las die Annonce einer Bank in der Zeitung, besprach sich mit ihrem Mann und startete los. „Ich bekam eine Schulung. Alles wurde mir gründlich erklärt. Die Geräte sind leicht zu bedienen. In der Gruppe trainierten wir die Kundengespräche. Das hat mich selbstbewusst gemacht. Ich habe viele Frauen als Kunden. Die vertrauen mir. Ich bin dreimal die Woche in den Dörfern unterwegs. Die Zahl meiner Kunden ist stark gewachsen. Mir macht mein Job sehr viel Freude und es ist ein guter Nebenverdienst. So kann ich was für die Ausbildung meiner Kinder ansparen. Sie können später auf eine bessere Schule gehen“, sagt die zweifache Mutter.
Ein stattliches Vermögen angespart – banking the unbanked
Wer geschäftstüchtig ist und unternehmerisch denkt, kann es als „Bank correspondent“ im ländlichen Indien zu einem sehr guten Verdienst bringen. Die Kunst besteht darin, viele Kunden für die Idee elektronischer Bankgeschäfte zu begeistern. Das scheint manchen sehr leicht zu fallen. Denn der Erfolg ist beachtlich:
Nach Angaben der Reverse Bank of India gibt es im März 2013 über 8.12 Crore Sparkonten, die allein aufgrund des Haustürgeschäfts in den Dörfern eingerichtet wurden. Auf ihnen liegt ein Vermögen von 1,822 Crore Rupien. Wir übersetzen das in uns vertrautere Größenordnungen und staunen: 81 Millionen Sparkonten mit mehr als 2 Milliarden Euros (1 € = 84 Rs)! Tendenz stark steigend!
Herzliche Grüße von Dr. Simone Rappel